Die dunkle Seite eines TV-Auftritts
- roxaneschneider
- 29. März 2023
- 7 Min. Lesezeit

Einmal bei Shopping Queen mitmachen – einmal das Rampenlicht spüren. Das wollen viele Frauen. Womit viele nicht rechnen, ist das Rampenlicht noch so klein, es bringt nicht nur glamouröse Seiten mit sich. Selbst als kleiner, kleiner Minifunken, weit entfernt vom „Star sein“, kann man im Netz ordentlich „Hate“ kassieren. Aber fangen wir mal von vorne an…
Wie die meisten, die mir auf Instagram oder anderen Kanälen folgen, mitbekommen haben, habe ich bei Shopping Queen auf Vox mitgemacht. Ich möchte jetzt keine Story machen à la „so läuft es wirklich hinter den Kulissen ab“. Zumindest jetzt noch nicht – nein Spaß bei Seite. Jede, die gerne in der Öffentlichkeit steht und shoppen liebt, sollte bei diesem Format mitmachen.
Die Aufnahmen haben extrem viel Spaß gemacht und die Ausstrahlung war mindestens genau so aufregend wie der Dreh. Wir Ladies wurden von dem Kamerateam und den Realisatoren (so nennt man die Menschen, die uns Kandidatinnen interviewen und Anregungen geben) bereits vorgewarnt, dass es im Netz heiß her gehen kann.
Allerdings war das nicht positiv gemeint. Insbesondere Facebook habe eine richtige „Hater Community“, so das Kamerateam. Sätze wie „nehmt es nicht persönlich“, tat ich erst mal ab. Ganz ehrlich, wer soll denn was gegen mich sagen, ich tue doch keiner Fliege was zu leide? So dachte ich. Drei Monate später wurde ich eines Besseren belehrt.
Für alle, die Shopping Queen nicht kennen: Es wird von Montag bis Freitag um 15 Uhr gesendet und jeden Tag präsentiert eine Kandidatin ihr geshopptes Outfit. Das Motto wird von Guido Maria Kretschmer vorgegeben. Es ist seine Sendung. Hierzu hat die Dame vier Stunden Zeit und ein Shopping Budget von 500 €.
Wir hatten das Motto: „Setze deinen Fehlkauf neu in Szene“.
Die unangemessenen Kommentare gingen eigentlich bereits Montag los. Jede Kandidatin wird auseinandergenommen. Dabei ist nicht nur die Montagskandidatin Opfer, sondern auch gleich die Mitstreiterinnen. Sevda, die Mittwochskandidatin und ich, hatte beide ein rosa schwarzes Outfit an. Das schien den Ladies auf Facebook nicht zu gefallen, was prinzipiell ja in Ordnung ist. Das sollte aber respektvoll ausgedrückt werden und nicht abwertend. Generell wurden wir alle als modisch geschmacklos bezeichnet und würden aussehen, als würden wir aus den „80ern“ oder „90ern“ kommen. Ich sage: „Danke schön für das Kompliment – ist ja gerade voll angesagt“. Nur um mal klar zu machen, wie sehr sich die urteilenden Damen mit der aktuellen Mode auseinandersetzen.
Mein Shopping Tag war der Dienstag. Es wird bereits mittags ein Foto bei Facebook von Shopping Queen hochgeladen. Hierzu gibt es eine kurze Beschreibung der jeweilige Kandidatin. Name, Alter, Beruf und eben ein Foto. Meine Berufsbezeichnung ist übrigens „Materialmanagerin“ oder „Supply Chain Coordinator“. Damit kann eigentlich niemand was anfangen, also habe ich lediglich Materialmanager angegeben. Dachte aber auch nicht, dass es irgendjemanden interessiert – schließlich geht es bei dieser Sendung ja um Mode.
Die „Facebookgranaten“ wussten nicht, was ein Materialmanager ist - muss man auch nicht wissen. Aber Google hilft zum einen, wenn es 100 Kommentare auslöst mit den unterschiedlichsten Spekulationen, zum anderen muss ich sagen, fing es an dem Punkt an, wirklich amüsant zu werden. Es wurden wildeste Spekulationen ausgetauscht von „sie verteilt sicherlich Post-its oder Druckerpapier im Lager“ oder „jeder nennt sich heute Manager“. „Jede Putzfrau ist jetzt Manager“. Als eine die Berufsbezeichnung von Google in die Kommentare kopierte, kam „was, die hat doch nicht studiert“. Wenn sie das nach 10 Minuten Ausstrahlung erkennen, sollten sie vielleicht zu „Wetten dass…“ gehen. Aber selbst wenn sie es könnten, dazu hätten sie nicht den Mut.
Ähm, kleiner Hinweis, ich habe meinen Arbeitsvertrag nicht selber geschrieben.
Diese Kommentare waren aber noch harmlos. Ein weiteres Beispiel erzähle ich euch noch.
Nachdem ich mein Outfit geshoppt hatte, kam ja der nächste Post. Meine Figur (die wie ich glaubte und immer noch glaube, ziemlich normal ist) wurde auseinander genommen von irgendwelchen Frauen, die ca. 20 Jahre älter sind als ich oder zumindest so aussehen.
Mein Oberkörper ist ihnen nämlich zu kurz. So. Also wenn sich jemand über meinen kurzen Rumpf lustig macht, dann bin ich das in erster Linie selbst oder meine Freunde oder mein Mann. Aber nicht diese Art von Menschen. Also ich lache ja selber darüber, denn es stimmt, ich habe einen kurzen Oberkörper und ich stehe dazu! Wenn ich Auto fahre oder sitze, denken die Menschen, ich sei klein und wenn ich aussteige oder aufstehe, dann bin ich „normal groß“. Ich selber bezeichne mich ja auch als „Sitzzwerg“ und ich kann auch echt darüber lachen.
Diese Menschen kennen mich aber nicht. Mein „Zwergenrumpf“ kommt nämlich – und jetzt passt auf – von meiner schiefen Wirbelsäule. Ich musste als Kind jahrelang ein Korsett tragen, um nicht operiert werden zu müssen , damit mir irgendwelche Ärzte eine Eisenstange in den Rücken operieren... welches einen massiv in der Bewegung einschränkt und unglaubliche Schmerzen mit sich bringt.
Gequält habe ich mich die Jahre und gehänselt von dummen Kindern wurde ich auch. Aber hey – wisst ihr, wie sehr ich mich gefreut habe, dass ich nicht operiert werden musste? Unbeschreiblich - und dafür habe ich gerne einen Zwergenrumpf.
Mittlerweile liebe ich meinen Rücken. Natürlich wäre ich gerne 3 cm größer am Rumpf, aber man kann nicht alles haben und es spielt verdammt noch mal keine Rolle, wenn ich bei einer Shopping Queen Sendung mitmache.
Ich dachte wir sind in den Zeiten von Body Positivity. Scheiß auf Schönheitsideale! Wir haben doch gar keine mehr. Dafür liebe ich die Generation Y (geboren 1981 bis 1995 ) und Z (geboren ab 1995 bis heute). Die Generation Babyboomer (geboren zwischen 1956 und 1965) und X (geboren 1966 bis 1980) hängt scheinbar teilweise auf Facebook ab und hat nichts zu tun und macht andere Frauen runter.
Was ist da nur los? Ihr könnt es euch nicht vorstellen. Ab 15 Uhr entstehen bei Facebook unter diesen Fotos Kommentare in einer Schlagzahl von 200-600 Stk. Haben die alle keinen Job, keine Familie oder Freunde? Wieso genießen sie die Sendung nicht einfach und schauen sich Menschen an, die so vielfältig und unterschiedlich sind? Denn eigentlich steht diese Sendung dafür. Wir sind nicht bei Germanys Next Topmodel, sondern bei Shopping Queen. Eine Sendung für die Durchschnittsfrau.
Was für Menschen schreiben denn solche Kommentare (die meisten Hater haben keine richtigen Fotos oder Namen bei Facebook)? Das können nur sehr unzufriedene Menschen sein, oder? Haben diese Menschen keine eigenen Themen im Leben? Das tut mir dann auch wieder leid. Wenn man sich an anderen Menschen, die man wohlbemerkt nicht persönlich kennt, so aufreiben kann, was für ein Leben hat man dann?
Was ich wirklich schlimm finde, es sind ausschließlich Frauen, die so gemein zu anderen Frauen sind bei den Kommentaren. Verdammt Ladies, was ist denn da los? Sollten wir uns nicht gegenseitig supporten?
Ich habe die Kommentare gut verarbeitet, keine Sorge. Klar, ich würde lügen, wenn ich sage, ich war nicht geschockt. Aber meine Mitstreiterin Bettina hat es sehr getroffen. Ihre Krankheit Lipödem wurde, ebenfalls bei Facebook, zerrissen. Das tat mir so leid. Sie hat 30 kg abgenommen, damit sie sieben Mal operiert werden konnte. Dann kommen diese – sorry ich muss es sagen – Biester, die nur auf ein falsches Wort der Kandidatinnen warten. Schrecklich.
Apropos - Kandidatinnen, die 7 Punkte vergeben, werden auch auseinander genommen. Bei unseren Folgen wurde Isabo heftig kritisiert und auch die Kritik war unangemessen formuliert. Obwohl 7 Punkte immer noch im „guten“ bzw. „befriedigenden“ Bereich liegen und egal wie, es ist ein Spiel und jede hat das Recht, so zu bewerten, wie sie es für richtig hält.
Mir war durchaus bewusst, dass wenn man den Schritt in die Öffentlichkeit wagt, es auch Menschen geben kann, die mich nicht feiern. Eins vorweg, ich würde immer wieder mitmachen!
Ich frage mich dennoch, wie steckt eine Cathy Hummels oder Sophia Thiel sowas weg? Die eine zu dünn, die andere zu dick. Die Gesellschaft wird immer etwas finden.
Jüngstes, mir im Ohr gebliebenes Beispiel eines Hate Angriffs ist übrigens Sylvie Meis. Wunderschöne Frau Mitte 40. Sylvie hatte sich also ein schönes Kleid angezogen, schöne Overknees und ist in ein Fußballstadion gegangen. Wie das so ist, sie postet ein Foto in den sozialen Netzwerken. Zack – lasset den Shitstorm beginnen.
„Zu alt für diesen kurzen Rock“ – ich sage: wer beurteilt das? Haste mal ihre Beine gesehen? Wenn die den Rock nicht tragen kann, wer dann?
„So geht man doch nicht ins Fußballstadion“ – ich sage: aha – wo steht der Dresscode fürs Stadion? Sylvie will nicht Fußballspielen, sondern Fußball gucken.
„Die sucht doch garantiert wieder einen Mann“ – ich sage: und wenn? Kann sie ja, ist ja schließlich Single.
Wisst ihr, was schlimm ist? Diese Kommentare waren zu 80-90 Prozent von Frauen.
Also als ich das Foto sah, dachte ich, hübsche Frau, tolles Outfit und wo gibt’s diese Schuhe?
Können wir Frauen nicht einfach zugeben, dass eine andere toll aussieht? Können wir nicht sagen, wenn etwas schön ist und müssen wir – wohlbemerkt – ungefragt sagen, was wir vom Outfit halten? Nur weil eine Frau hübsch ist, wird man selber doch nicht hässlicher dadurch. Fühlt man sich dadurch besser? Kann ich mir nicht vorstellen.
Es ist verdammt einfach, anonym etwas ins Netz zu schreiben. Es ist aber auch verdammt feige.
Was ich aber sagen muss, die Ladies, die ich durch diese Show kennengelernt haben, sind wirklich coole Frauen mit Rückgrat. Das ist das, was mir Mut macht, es gibt sie noch, die Frauen, die sich gegenseitig supporten, die dazu stehen, was sie sagen.
Egal was im Netz stand, wir hielten und halten zusammen und - wir kennen uns noch nicht lange. Das ist was zählt. Von solchen Frauen brauchen wir mehr. Vermutlich hat Shopping Queen sehr clevere Menschen, die sich um die Kandidatinnenauswahl kümmern. Aus diesem Grund wird wohl keine aus der Facebook Community je dort mitmachen können.
Was ich nicht verschweigen möchte, ich habe auch super viele schöne, liebe Nachrichten bekommen.
Auch wenn ich das Ding nicht gewonnen habe, ich zitiere meine Mitstreiterin Lea:
Ich gehe als Gewinnerin hier raus, nämlich mit vier neuen Freundinnen.
Aber ein bisschen fühlt es sich auch wie „Starsein“ an, wenn sich fremde Menschen das Maul über dich zerreißen. Also über einen 0/8/15 Menschen machen sie das nicht. Was habe ich letztens im Kino gelernt (Film: Babylon)?
Ich bin ein Star – egal ob die anderen es erkennen oder nicht.
Entweder man ist ein Star oder eben nicht. Meine Shopping Queen Ladies sind es definitiv und ich habe so viele wunderbare, ehrliche und taffe Frauen in meinem Leben, die alle meine Stars sind. Ich hoffe, ich lerne noch viel viel mehr von der Sorte kennen.
Also habt euch lieb und sagt euch nette Dinge. Kneift euch doch unnötige Kommentare, wenn ihr seht, dass Menschen glücklich sind, so wie sie sind.
Ach ja und Leute, es ist egal ob im Netz oder wo auch immer. Macht einfach euer Ding. Denn Kritiker werden immer etwas finden und hierzu ein tolles Schlusszitat von Berti Vogts:
„Wenn ich über's Wasser laufe, dann sagen meine Kritiker: ‚Nicht mal schwimmen kann er.“

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