Mama sein und warum ist die Natur eigentlich so ein Arschloch?
- roxaneschneider
- 19. Apr. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Apr. 2024

Zack, sind über neun Monate um und ich bin Mama. Eine neue Welt hat sich für mich eröffnet. Es war für mich unvorstellbar und ist einfach anders als ich je dachte. Vorab muss ich sagen, was ich nicht für möglich hielt, dass man einen Menschen, den man nur so kurze Zeit kennt, so sehr lieben kann. Es ist eine andere Liebe, als die, die ich bisher kennen lernen durfte. Dafür bin ich sehr dankbar. Es ist bedingungslos. Plötzlich stehen die eigenen Bedürfnisse hinten an.
Da sind wir auch bei dem schwierigen Thema in diesem neuen Leben. Als Mama sollte man eigentlich keine Bedürfnisse mehr haben, zumindest wird einem das oft vermittelt. Ich hab mich letztens in einer Runde über Haarausfall unterhalten. Denn was man auch dazu sagen muss, die Natur ist einfach ein Arschloch gegenüber uns Frauen. Liegt das alles daran, dass Eva Adam damals diesen scheiß Apfel angedreht hat?
Zum einen hat man die schlimmsten Schmerzen seines Lebens (zumindest kann ich das von mir behaupten) unter der Geburt, man ist danach körperlich und seelisch angeschlagen. Die Hormone drehen nicht nur in der Schwangerschaft durch, nein, sie überlegen sich etwas ganz besonderes, im Wochenbett. Im Wochenbett, wenn du eh nur rumliegen sollst und dich um einen neuen Menschen kümmerst, der zu 100 Prozent auf dich angewiesen ist, kicken deine Hormone noch mal richtig. Wenn du dich dann an die neue Situation gewöhnt hast, deine Brüste nicht mehr explodieren, weil du einen Milcheinschuss hast und du dich wieder halbwegs bewegen kannst, dann kommt bei vielen Frauen Haarausfall dazu. Habe also letztens erzählt, dass ich Angst davor habe und ein Herr um die 60 meinte: „Na ja, kannst ja froh sein, dass du das Kind hast.“ Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich bin sehr froh, dass ich DAS Kind habe, aber ich bin trotzdem noch der Mensch von vorher und habe mich auch in den letzten Jahren bewusst gegen Glatze entschieden. Auch jetzt möchte ich diese nicht haben. Nur weil ich eine Mutter bin, habe ich immer noch die gleichen Bedürfnisse.
Zum Thema, die Natur ist ein Arschloch: was ich vorher nie geglaubt habe und was kaum ein Mann kennt, ist dieses böse schlechte Gewissen bei allem, was du tust, wenn dein Kind nicht dabei ist. Wenn ich mich mit jemandem treffe und länger weg bin, wenn ich zum Friseur gehe… man denkt immer, ist das nicht zu lange? Ich versuche mir das abzutrainieren. Das Schlimmste ist aber, wenn andere Mütter dir ein schlechtes Gewissen machen. Was soll der Scheiß?
Ich sage es mal ganz deutlich, ich liebe Bier und habe mich während der Schwangerschaft auf ein kühles, leckeres Bierchen gefreut und ich habe tatsächlich schon ein paar Mal Milch abgepumpt und Bier getrunken. Habe aber schon von einigen gehört „Nein, also da habe ich ja gar nicht dran gedacht“, „das habe ich nie gemacht“. Ja, dumm gelaufen für dich. Ich habe das mit meiner Hebamme abgesprochen und wenn der Alkohol abgebaut ist, kann man ganz normal weiter stillen. Wie kann ich nur an mich denken und Alkohol trinken? Als Mama denkt man doch 24/7 an sein Kind, oder? Ja, kann man auch bei einem leckeren Bierchen, kann ich euch sagen.
Dann kommen wir zum nächsten schwierigen Thema: Stillen. Es ist das Beste fürs Kind. Es gibt aber Mamas, denen geht es damit nicht gut. Es ist auch nicht so einfach. Man ist ab dem Zeitpunkt, an dem man sich fürs Stillen entscheidet, fremdbestimmt. Ich habe letztens gelesen, Stillen und Abpumpen macht stundenmäßig einen Vollzeitjob aus. Das ist so. Ich spreche jetzt aus Erfahrung.
Ich war letztens in Rom. Diese Stadt ist sauvoll. Ich kann nur mit Stillhütchen stillen, wisst ihr wie super anstrengend das ist? Sich einen Ort zu suchen, seine Brust auszupacken, diesen Hut drauf zu friemeln und das Baby in Position zu rücken? Das Baby schreit meistens, kickt rum und will sofort Milch! Aber was ist die Alternative? Gar nichts unternehmen? Macht mich das glücklich? Nein. Böse Zungen würden jetzt auch sagen, verreisen sei egoistisch. Ist es vielleicht auch ein Stück weit. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass es meinem Kind nur gut geht, wenn es mir auch gut geht. Deswegen sollte man sich selber nicht vergessen. Natürlich sind die Reisen aufs Kind abgestimmt und es wird nicht das Pensum gefahren wie vorher.
Was ich mich jetzt aber frage, wieso ist die Gesellschaft so und wieso ist die Natur so? Ok, die Natur hat noch Adam und Eva. Aber die Gesellschaft?
Dennoch treffe ich (Gott sei Dank!!!) immer wieder Frauen, in denen ich Seelenverwandte sehe. Die einfach herrlich ehrlich sind. Letztens auf einem Geburtstag hat mir eine erzählt, dass sie nach 8 Wochen plötzlich aufgehört hat zu stillen. Es ging einfach psychisch nicht mehr für sie und ihr Junge ist inzwischen acht und bester Gesundheit. Außerdem wurde er mit 15 Monaten zur Krippe gebracht. Bis dahin konnte er nur robben, das Laufen hat er sich vor Ort von anderen abgeguckt.
Zum Thema nach einem Jahr arbeiten zu gehen habe ich mir auch schon einiges angehört. Wie schrecklich es doch sei, sein Kind dann abzugeben. Sowas höre ich eigentlich immer ungefragt.
Außerdem habe ich letztens eine Mutter gesprochen (ihre Söhne sind jetzt 18), die nicht gestillt hat, weil sie sich einfach so eingesperrt gefühlt hat. Das ist auch ok. Ich weiß, Stillen ist das Beste fürs Kind und alle Babys, die gestillt wurden, werden vermutlich mal Superhelden. Ich wurde nicht gestillt, mein Mann nicht und ich kenne wirklich viele Menschen, die nicht gestillt wurden, uns allen geht es gut und wir erfreuen uns bester Gesundheit. Ok, Superhelden sind wir nicht, aber wir sind happy. Ich bin kein Wissenschaftler und zweifle es nicht an, aber ich bin überzeugt davon, dass es nicht nur einen richtigen Weg gibt und jede Mama muss ihren eigenen finden. Genauso finde ich es nicht schlimm, wenn jemand stillt, bis das Kind 5 Jahre alt ist. Wenn es sich für die Mutter-Kind-Beziehung richtig anfühlt, wird das auch richtig sein.
Ich stille noch, aber werde es vermutlich kein ganzes Jahr tun. Denn ich sage euch, es nervt mich in der Öffentlichkeit. Egal wie sehr ich mein Baby liebe. Abends im Bett ist es gemütlich. Mein Leben besteht nicht nur aus abends im Bett. Ich mache das jetzt so lange für mein Kind, wie es sich für mich richtig anfühlt und dann will ich es lassen, am besten ohne schlechtes Gewissen und ungefragte Ratschläge.
Viele Punkte klingen vielleicht negativ in diesem Artikel, aber diese schließen nicht das Positive aus. Ich kann mir ein Leben ohne mein Baby nicht mehr vorstellen. Ich lerne täglich dazu und entwickle mich weiter. Es ist die größte Herausforderung meines Lebens und das größte Geschenk. Ich wurde mal gefragt, warum man ein Kind haben sollte? Nach etwas über drei Monaten kann ich dazu sagen, dass es einfach ein Gefühl ist, welches wunderschön ist und nicht in Worte zu fassen. Auch wenn ich keine Schwangere war, die es toll fand, schwanger zu sein. Es hat sich gelohnt. Aber für dieses Baby würde ich alles geben, so unglaublich groß ist das Gefühl. Natürlich kann ich nur von mir sprechen.
Kommentare