Reisen entwickelt die Persönlichkeit
- roxaneschneider
- 7. Jan. 2022
- 4 Min. Lesezeit
„Wieso reist du eigentlich so gern und oft?“ werde ich immer öfters gefragt. Bereits mit 13 Jahren habe ich gesagt, ich möchte so viel von dieser Welt sehen, wie es nur möglich ist. Ich investiere in den letzten Jahren verstärkt in Erinnerungen und habe für mich festgestellt, es ist die beste Investition. Das erste Mal ganz allein auf Reisen war ich mit 19. Da bin ich für ein halbes Jahr nach Australien gegangen. Das würde ich jedem jungen Menschen empfehlen, es entwickelt die Persönlichkeit auf eine andere Art und Weise. Auf einmal sind Mama und Papa nicht mehr da und wenn ich nicht mehr weiterwusste, konnte ich sie (allein durch die Zeitverschiebung) nicht einfach anrufen und sie waren da. Da wusste ich auch zum ersten Mal in meinem Leben, was Heimweh bedeutet und ich wusste viele Dinge ganz anders zu schätzen. Mit einem begrenzten Budget habe ich fast monatlich auf neue Klamotten verzichtet, um etwas zu essen zu haben. Wer mich kennt, der weiß, ich liebe shoppen, aber diese Erfahrung möchte ich trotzdem nicht missen. Es hat mir nur gezeigt, dass nicht alles selbstverständlich ist.
Aber nicht nur diese Erfahrung entwickelt die Persönlichkeit, auch wenn man nicht jeden Cent umdrehen muss, nimmt man (nach meiner Meinung) aus jedem Urlaub etwas mit. Ein anderes interessantes Erlebnis hatte ich in Thailand auf Koh Tao. Die Inseln von Thailand, die ich bisher sehen durfte, sind wie gemalt, eine wunderschöne Natur, leckeres Essen und wahnsinnig genügsame Menschen. Die Menschen sind nett, auch wenn die meisten kaum Geld haben. Als wir dort waren, haben wir uns ein Auto ausgeliehen von einer älteren Dame. Der kleine Polo sah wirklich gut aus, es war vermutlich das Teuerste, was sie besaß, aber sie brauchte die 50 € und gab uns das Auto. Als Pfand behielt sie unsere Reisepässe. Der Polo hatte auf jedem Berg (und es gibt viele davon auf Koh Tao) Aussetzer und die Motorkontrollleuchte war durchgängig aktiviert. Aber er hielt den ganzen Tag durch und wir bekamen unsere Reisepässe wieder mit einem freundlichen Lächeln. Würdest du dein Auto fremden Menschen von einem anderen Kontinent für 50 € geben, wenn es das einzige Wertvolle ist, was du besitzt? Wie dankbar wir dafür sein sollten, dass die meisten von uns das nicht machen müssen, auch wenn es vermutlich meistens gut gehen würde. Die Freundlichkeit aus Thailand werde ich niemals vergessen. Dort habe ich auch einen Kochkurs gemacht, ich war allein mit einer thailändischen Frau in der Küche, die kaum Englisch sprach, aber das war kein Problem. Wir verstanden uns ohne Worte - seitdem koche ich gerne thailändisch und scharf. Soll übrigens sehr gesund sein. Außerdem habe ich die thailändische Massage für mich entdeckt. Ich weiß nicht, ob dies ohne diesen Urlaub der Fall gewesen wäre. Das möchte ich nicht mehr missen.

Als ich in den USA und Kanada war ist mir eines besonders aufgefallen, Amerikaner und Kanadier verteilen gern Komplimente an fremde Menschen. Wenn ihnen dein Shirt gefällt, dann sagen sie es. Wenn sie deine Frisur mögen, dann sagen sie es. Wenn sie dein Lächeln mögen, dann sagen sie es. Wer freut sich nicht über Komplimente? In Deutschland sind die meisten recht zurückhaltend mit Komplimenten. Unser Gegenüber könnte ja denken, wir hätten irgendeine Absicht. Ich habe mir angewöhnt, den Menschen zu sagen, wenn mir etwas an ihnen gefällt. Habe ich letztens in einer Kneipe gemacht, dort saß eine ältere Frau mit einer Herzchenbluse, die ich richtig schön fand. Sie hat sich sichtlich über das Kompliment gefreut. Ich sage aber auch meinen Kollegen regelmäßig, wenn mit etwas an ihnen gefällt. Das kam gehäuft am Donnerstag vor, deswegen erwarten sie jetzt jeden Donnerstag ein Kompliment und sie lächeln dabei. Ist das nicht schön, wenn Menschen lächeln? Jeder wird lächeln, wenn er ein Kompliment erhält.

Vor kurzem war ich in Südafrika und man sieht auch hier vielen Menschen an, dass die Armut sehr groß ist. Die Kluft zwischen arm und reich ist deutlich erkennbar. Aber was ich sehr beeindruckend finde - und das ist das gleiche Phänomen wie in Thailand - die Menschen sind einfach so freundlich und genügsam, sie lächeln so oft. Man hat das Gefühl, sie sind dankbar für jeden Job, und sei es an der Straße zu stehen und bei 35 Grad um 12 Uhr mittags eine Flagge zu schwenken, um den Verkehr zu regeln. Ich habe einem Parkwächter einen großen Schein gegeben und er hatte glasige Augen und sagte, es sei für ihn wie Weihnachten. Es waren umgerechnet etwa 6 €. Da hatte ich selbst feuchte Augen. Der Mann ist froh, dass er diesen Job hat. Ich glaube hier regt sich niemand über seinen Job auf. Wie oft regen wir uns über unsere Jobs auf? Wie oft sind wir uns bewusst, dass dieser Job nicht selbstverständlich ist? Was ich aus Afrika mitnehme? Dankbarkeit – dankbar, dass ich überhaupt ein Recht auf Bildung habe und dieses Recht nutzen konnte. Dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, einen Job auszuüben, den ich frei wählen durfte. Wenn man hier in einem der Randgebiete in Armut aufwächst, ist es wahnsinnig schwer, dort rauszukommen und ein „normales“ Leben außerhalb der Armut zu führen. Wir sollten viel öfters dankbar für das sein, was wir haben und für die Möglichkeiten, die wir haben und nutzen können. Ich denke wir sollten so viele schöne Erinnerungen sammeln, wie es uns nur möglich ist, denn das ist es, was am Ende wirklich bleibt. In dem Sinne – gute Reise – egal wo es hingeht 😊.

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