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Selflove – Selbstliebe – Trendwort oder das Beste, was uns je passiert ist?

  • roxaneschneider
  • 4. Apr. 2022
  • 9 Min. Lesezeit

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Komplexe sind ein Arschloch. Wer schon mal welche hatte, weiß wovon ich spreche. Unsicherheit ist ein Arschloch. Wer schon mal unsicher war, weiß wovon ich spreche. Selbstzweifel ist ein Arschloch. Wer schon mal welchen hatte, weiß wovon ich spreche. Selbstliebe ist ein richtig guter Kumpel. Wer sich selbst liebt, weiß wovon ich spreche.


Auch wenn viele Menschen behaupten, sie hätten solche negativen Gefühle noch nicht erlebt, glaube ich diesen Menschen kein Wort. Mir ist aufgefallen, dass besonders das männliche Geschlecht schlechter über Selbstzweifel, Unsicherheit oder Komplexe sprechen kann. Aber wie immer kann man das ja nicht pauschal sagen.


Wann hatte ich das erste Mal Komplexe? Ich persönlich mit etwa elf Jahren. Ganz schön früh, wie ich finde. Als ich neun Jahre alt war, wurde mir ein Korsett verpasst, weil ich eine Skoliose habe (schiefe Wirbelsäule). Die Ärzte waren schockiert über meine Wirbelsäule, ein Arzt sagte: „Dieses Kind muss operiert werden, es wird nicht mehr wachsen.“ Ich war damals mit meinen Eltern im Raum, als er das sagte. Mit meinen neun Jahren fand ich die Vorstellung nicht mehr zu wachsen wirklich furchteinflößend. Nämlich so schlimm, dass ich in der kommenden Nacht eine Körpertemperatur von 41 Grad Fieber erreichte, meine Mutter komplett am Rad drehte vor Sorge und ich Wadenwickel ertragen musste, die ich schon immer hasste. Aber da muss ich Mama ja Recht geben, es hilft.


Na ja, aber zurück zur Story, damals fingen meine Komplexe noch nicht an. An diesen Tagen machte ich mir das erste Mal Sorgen um mich. Ich fuhr mit meinen Eltern ab diesem Tag regelmäßig zur MHH in Hannover, wahre Spezialisten auf ihrem Gebiet, wenn man mich fragt. Sie fertigten mir ein Plastikkorsett an, welches ich ab diesem Zeitpunkt 23 Stunden pro Tag tragen und nur zum Sport oder Duschen abnehmen sollte. Sonst, das sagten sie mir, drohe die Operation und ich bekäme eine Eisenstange zum Fixieren der Wirbelsäule und wäre stark in der Bewegung eingeschränkt. Es würde bedeuten, ein Jahr nicht mehr richtig zu sitzen, nicht mehr richtig Sport zu machen, höllische Schmerzen und das Risiko - welches bei so einer OP mitschwingt - Querschnittslähmung. Also war ich tapfer und trug dieses Plastikding, welches anfangs echt weh tat, mir den Schlaf raubte und mich dazu brachte, nur noch weite Shirts zu tragen. Meine engeren Shirts passten nicht mehr.


Ich musste es meiner Klasse erklären, die Kinder in der Grundschule waren noch cool und nahmen es hin. Es änderte sich erst mal nichts in der Klasse. Im heißen Sommer saß ich bei meiner besten Freundin (sandrawasmachenwirjetzt) nur mit Unterhemd und Korsett auf dem Sofa mit fünf anderen Kindern und es störte keinen.


Mit elf kam man zur damaligen Zeit in Niedersachsen auf die Orientierungsstufe (gibt es jetzt nicht mehr). Neue Klasse, neue Schüler, neue Charaktere. Dort waren zwei Jungs, die mich das erste Mal dazu brachten, dass mir dieses Korsett unangenehm war. Wenn man so ein Korsett im Sommer trägt und sich nach vorne beugt, wie z.B. beim Schreiben, dann steht es ab und obwohl man keinen Buckel hat, sieht es mit Klamotten drüber aus, als hätte man einen Buckel. Na ja, ziemlich naheliegend was den beiden dann gleich einfiel… war auch regelmäßig im Fernsehen zu sehen: „der Glöckner von Notre-Dame“. Das Perverse ist ja, du hast keinen Buckel, trägst diese Plastiktüte (wie es mal eine andere Mitschülerin nannte), um keinen zu bekommen und musst dir dann von zwei Vollidioten sowas erzählen lassen. Heute weiß ich, es waren Kinder und sie wussten vermutlich (hoffe ich für sie) nicht, was das bewirkt, aber es war Scheiße.


Als ich mit zwölf aufs Gymnasium kam, habe ich mich geweigert, das Korsett zur Schule zu tragen (inzwischen hatte ich noch eine Brille und eine feste Zahnspange – Brackets verpasst bekommen).

Ich wollte einen Neuanfang. Ja, ich war eher ein schüchternes Kind (glauben viele nicht) und diese Dinge förderten nicht wirklich mein Selbstbewusstsein. Aber hey, es war genau richtig so, heute habe ich gerade Zähne, bin zwar immer noch kurzsichtig, trage gelegentlich eine Brille und sonst Kontaktlinsen, musste nicht operiert werden und wer sich mit schiefen Wirbelsäulen nicht auskennt, der würde nicht erkennen, dass ich eine habe.


Ich hätte das Korsett noch ein Jahr länger tragen sollen, aber in dem Augenblick war ich zu schwach dazu und das ist auch in Ordnung so. Manchmal ist Karma eine Bitch. Als ich 23 war, fing ich an bei einem Konzern zu arbeiten, im Büro. Ich liebe ja Styling und Mode, ging also mit meinen Pumps und schickem Outfit Richtung Büro übers Werksgelände. Höre ich doch, wie mir ein Typ hinterher pfeift und wen sehe ich da zehn Jahre später im Augenwinkel? Einen Mann, der bei uns bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt ist und mir hinterherpfeift. Wer war das? Na könnt ihr es euch denken? Das war der Junge, der mich damals gehänselt hatte. Also irgendwie musste ich echt grinsen. Ich hab ihn dann aber nie mehr wieder gesehen. Ich möchte nicht schadenfroh sein und bin es auch nicht, weil ich glaube, es bewirkt nur das Gegenteil. Schlechte Gedanken bringen dich nicht weiter.


Apropos Gedanken - früher habe ich mir wirklich sehr viele Gedanken darüber gemacht, was andere Menschen über mich denken und wie etwas ankommt, was ich trage oder sage. Heute nicht mehr. Das ist mir tatsächlich zu 90 Prozent egal, so lange mir gefällt, was ich trage oder sage. Mit 16 wog ich sicherlich 15 Kilo weniger und musste richtig hungern um das Gewicht halten zu können, glücklicher war ich aber nicht, ganz im Gegenteil. Es kommt gar nicht auf das Gewicht an, sondern auf das innere Strahlen und das Lächeln, welches du dir selber schenkst.


Mein Problem ist auch noch immer, dass ich mich oft vergleiche, nicht zwangsläufig äußerlich, sondern beruflich und menschlich und was weiß ich alles noch.


Klares Problem der Frauen. Wie oft ich das mitbekomme von Frauen. „Das kann ich nicht tragen, dafür bin ich zu fett“ „Wie macht die das nur, ich könnte das nicht, zwei Kinder, Topfigur, Topehe.“ Bla bla bla und dann, wenn wir Frauen uns vergleichen, entwickeln wir manchmal diese wirklich unmögliche Stutenbissigkeit. Wir gönnen nicht, wir unterstützen nicht. Wir lästern.


Ich kann mich da sicherlich nicht ganz raus nehmen, aber ich glaube, ich war nie richtig stutenbissig. Eher habe ich mich klein gemacht. Wir Frauen sollten uns weder kleinmachen, noch stutenbissig sein! Viel öfters sollten wir uns sagen, wie groß wir alle sind. Sagen, wenn wir etwas Positives an der anderen sehen.


Sag doch mal der Kollegin „Du kannst so gut reden vor anderen Menschen, das beneide ich echt. Da kann ich was lernen.“ Sag doch der Kollegin „Tolles Kleid, hast aber auch echt eine tolle Figur.“ Sag ihr doch „Du hast echt tolle Haare.“ Sag ihr doch einfach, wenn dir was Positives auffällt. Anstatt zu einer dritten Kollegin zu sagen „Also eigentlich ist XY zu fett für das Kleid.“ Immerhin trägt sie ein Kleid und gibt sich Mühe und scheinbar fühlt sie sich wohl, sonst würde sie es nicht tragen. Dann lass sie doch. Wenn du es wirklich schrecklich findest, musst du ihr ja kein Kompliment machen.


Du sammelst Karmapunkte und bekommst ein Lächeln und im besten Fall sagt dir die Kollegin dann auch mal, was sie an dir toll findet und wenn nicht? Na und? Dann sag es dir einfach mal selber.

Ich habe letztens einen so wahren Spruch gelesen „einen anderen Menschen glänzen zu sehen, nimmt dir nicht dein eigenes Licht.“


Für alle Menschen gilt: Behandele dich doch mal selber wie deine beste Freundin oder deinen besten Freund. Wärst du zu ihm oder ihr auch so streng? Die meisten sind viel strenger zu sich selbst als zu anderen. Sei doch genau so nett zu dir wie zu anderen. Es gibt natürlich Ausnahmen. Menschen, die einfach Freude daran empfinden, schlecht zu anderen zu sein, aber eigentlich ist das die Ausnahme und diese Menschen haben tieferliegende Probleme.


Noch mal zum Thema „sei ein bester Freund/beste Freundin“ zu dir selber. Ich hatte letztens eine aktuelle Situation, wo ich Selbstzweifel empfand bezüglich meiner inneren Stärke. Ich kam gegen eine andere Person nicht an, konnte nicht das Durchsetzen, was ich für richtig hielt und setzte mich selber zunehmend unter Druck. Obwohl ich eigentlich weiß, dass ich gut bin in dem, was ich tue. Aber manchmal sitzt eine andere Person einfach am längeren Hebel und obwohl ich mir einst geschworen hatte, nie einzuknicken, habe ich es getan, weil es im Endeffekt besser war für mich.


Aber es nagte eine Weile an meinem Selbstbewusstsein. Ich sagte mal in einer Sprachnachricht an eine Freundin: „Ich bin ja scheinbar echt schwach und ich habe mich selbst enttäuscht“. Diese Freundin öffnete mir zu dem Thema wirklich die Augen. Sie fragte mich, wie ich so streng zu mir sein könne. Frage ich mich übrigens auch und ich finde mich gar nicht mehr schwach. Ganz im Gegenteil, ich finde das richtig stark. Es ist stark auf sich selber aufzupassen und wenn man merkt, dass einem etwas nicht gut tut auf Dauer, dann muss man es ändern und gehen. Ändere es, bevor es dich kaputt macht. Erkenn das, hör auf dich. Sei auch zu dir selbst dein bester Freund/deine beste Freundin und pass auf dich auf.

Ich muss sagen Yoga hat mir schon sehr geholfen, meine innere Stärke und Selbstliebe zu optimieren. Das kann ich wirklich nur jedem empfehlen, der manchmal an sich zweifelt oder nicht so selbstbewusst ist. Beschäftige dich mit dir selber. Sei gut zu dir. Tu dir Gutes und hab auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen deswegen. Wir können uns doch auch selbst beschenken. Uns selbst eine Freude machen. Uns selbst entfalten. Es gibt viele Menschen, die entfalten sich durch ihren Beruf und zu arbeiten ist ihr Hobby. Ich mag meinen Beruf auch sehr gerne. Ich habe dennoch gemerkt, dass es meiner Seele gut tut, sich noch anderweitig zu entfalten und so eine innere Balance zu finden. Sei es hier diesen Blog zu schreiben.


Als ich noch keinen Blog hatte, habe ich ab und an mal einen Artikel für die Neon geschrieben. Das habe ich mal auf einer Familienfeier erzählt und meine Schwägerin hat das so inspiriert, dass sie jetzt ihre Fotos veröffentlicht. Sie ist eigentlich Lehrerin und liebt ihren Beruf, aber sich in der Freizeit kreativ zu entfalten, tut ihr – genau wie mir – wahnsinnig gut. Dass ich jemanden inspirieren konnte, hat mich extrem geehrt und das nehme ich als ein riesengroßes Kompliment an. Hab ich mir einfach mal selbst auf die Schulter geklopft.


Ich mache auch gerne Sport und habe nebenbei meine Trainer-Lizenz gemacht und angefangen nebenbei Kurse an einer Hochschule zugeben. Das macht mir richtig Spaß und dann habe ich nebenbei noch meinen Yogatrainer gemacht. Jetzt gebe ich Kurse an der Hochschule und an der Volkshochschule nach der Arbeit. Einfach, weil es mir Spaß macht. Letztens hat mir eine andere Freundin erzählt, sie macht jetzt ihren Bootsführerschein, weil sie einfach das Meer liebt und sie sagte „Roxy, du bist eine Inspiration, du machst so viel nebenbei, ich dachte ich versuche das auch mal.“ Da hatte ich schon ein bisschen Pippi in den Augen. Weil ich von dieser Frau auch wahnsinnig viel halte und sie in vielen anderen Hinsichten eine Inspiration, das ist eigentlich untertrieben, ein Vorbild für mich ist. Hab ich ihr auch gleich gesagt – ja hey, man wird sich doch auch mal Honig ums Maul schmieren können. Warum? Weil es gut tut und weil es die Seele wärmt. Versuch es mal.


Es gibt so viele Menschen die stolz auf sich sein können, für Kleinigkeiten. Mein einer Kollege ist unglaublich talentiert beim Thema Holz! Was der so zusammen zimmert! Kann er richtig stolz drauf sein. Muss ich ihm auch noch mal sagen. Meine Schwester malt einfach nach der Arbeit und das sieht richtig professionell aus. Das hab ich ihr auch schon oft gesagt! Sie hat übrigens keinen Kurs gemacht oder sowas. Sie haut einfach mal ein paar Bilder raus mit Ölfarbe – ohne es gelernt zu haben. Mein Neffe ist gerade mal 19 und hat seinen Bootsführerschein schon, seinen Tauchschein und ist richtig offen und aktiv. Das finde ich beeindruckend in dem Alter, muss ich ihm auch noch mal sagen. Ich könnte jetzt ewig so weiter machen… es gibt so viele tolle Menschen mit so vielen tollen Eigenschaften und den meisten ist das gar nicht bewusst.


Ich finde wir sollten uns viel öfters nette Dinge sagen. Sag es den Menschen, sag es deiner Familie, sag es deinen Freunden, sag es deinem Partner. Mit seinem Partner ist man übrigens auch sehr streng, nicht ganz so streng wie mit sich selber, aber die Ansprüche sind meistens sehr hoch. Ein guter Tipp, bevor man wieder mit der Kritik loslegt, sag vorher mindestens fünf gute Dinge, bis du die Kritik anbringst. Erstens, merkst du dann schon was du an ihm oder ihr hast, zweitens, klingt die Kritik dann nicht mehr so hart und der Gegenüber wird sie besser annehmen. Sollte man sich übrigens in allen menschlichen Beziehungen angewöhnen. Theoretisch klingt es leicht – praktisch ist es schwer. Aber ich nehme Herausforderungen gerne an.


Also nun noch mal zum Thema „Selflove“. Wenn du dich selber wieder kritisieren möchtest, sag dir doch vorher mal fünf Dinge, die einfach gut an dir sind. Die findet jeder. Es sind die Kleinigkeiten, die zählen. Lass deine kreative Seite raus, probiere neue Dinge aus, gib deiner Seele Raum zum Atmen und sei stolz drauf. Auch wenn man merkt, dass einem etwas nicht so gut gefällt, dann weiß man wenigstens, was man nicht mag und das ist auch eine Erkenntnis. Es wird sich nicht nur dein Herz bedanken, sondern auch dein Hirn. Abschalten ist wichtig. Denk nicht immer zweimal, du lebst doch auch nur einmal. Schenk dir täglich ein Lächeln. Du hast es verdient.


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