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Thank you for travelling with Deutsche Bahn

  • roxaneschneider
  • 6. Mai 2022
  • 8 Min. Lesezeit

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Früher dachte ich immer, der Beruf Schaffner sei echt cool. Heute glaube ich das nicht mehr. Ich glaube, diese armen Menschen müssen sehr viele Überstunden machen und kommen immer zu spät. Das muss wirklich schrecklich sein für sie selbst, aber auch für ihre Familien und Freunde. Aber nun zum eigentlich Thema, meine Berufswünsche sind heute nämlich nicht im Fokus. Mein letztes Wochenenderlebnis hat den Wunsch in mir ausgelöst, mal alles nieder zu schreiben, was ich mit der Deutschen Bahn schon erlebt habe. Denn letztes Wochenende war ich kurz davor auszurasten und ich denke, nur das Bierchen und meine beste Freundin haben mich im Zaum gehalten.


Aber fangen wir mal von vorne an. Eigentlich bin ich gar nicht so oft mit der Bahn unterwegs – das macht es ja noch schlimmer! Es bedeutet, die Wahrscheinlichkeit, dass die Bahn sich verspätet, ist sehr hoch. Ich war echt nicht gut in Statistik, aber dass das eine schlechte Statistik ist, weiß sogar ich. Meine Freundinnen sagen allerdings, ich wäre die Pechbringende. Angeblich hätten sie nur Verspätung, wenn sie mit mir unterwegs seien. Also Deutsche Bahn und ich = schlechtes Karma.


Jetzt habe ich das letzte Wochenende schon so an geteasert – dann starten wir doch gleich mit diesem Erlebnis. Meine Freundin Sandra und ich waren, wie so oft, auf dem Weg nach Köln. Wir dachten, es sei eine super Verbindung, wir dachten ohne Umsteigen, wir dachten wir kommen – einmal - pünktlich an. Wir dachten in allen Punkten falsch.


Wir haben uns in allen Punkten getäuscht. Während unsere anderen Freundinnen schon gemütlich bei einem Bierchen in Köln saßen, wussten wir nicht, ob wir an diesem Abend überhaupt in Köln ankommen würden.


Kennt ihr dieses Bahngeräusch? Dieses „dim dim dim dim“ – welches immer höher wird vom Ton?

Ich kenne es nur zu gut. Erst erklang das Geräusch, dann kam die erste Durchsage „verehrte Fahrgäste, der Zug verspätet sich um 20 Minuten.“


Ok – na ja 20 Minuten geht ja noch.


Dim, dim, dim, dim „verehrte Fahrgäste, der Zug verspätet sich um 40 Minuten“.


Irgendwann wurde durchgesagt, es seien technische Probleme, dann spielende Kinder auf der Fahrbahn.


Ok dauert also 40 Minuten, diese Kinder von der Fahrbahn zu holen? Na ja, wenn das so ist, ist das so.

Bierproviant sank und sank. Ich muss dazu sagen, auf dem Weg nach Köln läuten wir immer schon mal das Wochenende ein und stoßen ganz gerne mit ein paar Bierchen an.


„Dim, dim, dim, dim, verehrte Fahrgäste, wir müssen zum Bahnhof zurück fahren. Wir bleiben bis auf unbestimmte Zeit in Herford.“


In meinem Kopf erklang „düdüm“.


Keiner wusste mal wieder wie lange es dauern könnte. Es gab keinen anderen Weg. Bier war leer.


Ward ihr schon mal in Herford am Bahnhof? Da ist so ziemlich nichts, aber ich dachte mir, ich geh mal runter und schaue, ob es Bier gibt. Damit war ich auch tatsächlich erfolgreich. Es gab Herforder. Wenn man schon mal in Herford ist – ich steh ja auf regionale Produkte – kann man auch ein Herforder trinken.

Wir schrieben also in die Mädels-WhatsApp-Gruppe, dass wir in Herford festsäßen. Eine Freundin von uns antwortete „in fünf Minuten könntet ihr über Dortmund fahren.“ Sandra und ich schauten uns an, standen auf und eilten zum anderen Gleis, um diesen Zug nicht zu verpassen. Den Zug haben wir gekriegt. Natürlich war dieser Zug überfüllt (scheinbar hatten mehrere Leute diese Idee) und wir hatten keine Sitzplatzreservierung, aber trotzdem einen Platz bekommen. Läuft – dachten wir.

Wir machen also unser Herforder auf und sagten „wenigstens fahren wir“.


Da kam es wieder „Dim, dim, dim, dim.“


Wir guckten uns an „bitte nicht“.


Es ertönte aus dem Lautsprecher: „Verehrte Fahrgäste, ich habe sehr sehr sehr bittere Nachrichten.“

Kurze Pause.


Drama können die Mitarbeiter der Deutschen Bahn.


„Dieser Zug endet in Neubeckum.“


Kennt irgendwer Neubeckum? Ich sage euch, muss man nicht kennen. Wir standen an diesem Bahnhof, ohne Toilette, mit viel Bier in den Blasen, hunderten von Menschen um uns herum, die nach Köln und Umgebung wollten und keiner wusste, ob der Anschlusszug (wohlgemerkt in einer Stunde) ankommen würde oder nicht. Sandra und ich mussten erst mal zur Toilette und da es in diesem Bahnhof keine gab, sind wir in ein Spielkasino gegangen. Menschenleer, sehr steril. Meiner Meinung nach ein Ort, an dem locker Menschen umgebracht werden oder schon mal wurden, aber der Typ am Empfang war ganz nett. Also er ist glaub ich kein Mörder.


Wir haben versucht, ein Uber zu bekommen (wenn ihr mich fragt eine der besten Erfindungen!), aber gibt es natürlich nicht in Neubeckum. Wir haben auch mit einem Taxiunternehmen telefoniert – Ergebnis 320 € bis nach Köln. Ach ja, bevor wir das Herforder getrunken haben, haben wir noch gecheckt, ob es Carsharing in der Nähe gibt. Nein!!! Es gab einfach keine Alternative, aber ihr werdet es nicht glauben, der Zug kam. Vorher ist noch der Zug an uns vorbei gefahren, mit dem wir ursprünglich gefahren sind. Was man macht.. macht man falsch.. aber wir mussten schon ein bisschen lachen. Es ist viel einfacher, wenn man die Dinge mit Humor sieht.


Der Zug nach Köln war natürlich rappelvoll. Noch voller, als der letzte und wir hatten dieses Mal keinen Platz bekommen. Aber das Bordbistro hatte ausnahmsweise mal auf (darauf gehe ich später noch ein!) und wir konnten dort sitzen.


Sandra wollte etwas bestellen und was sagte der freundliche Mitarbeiter? „Das dauert mindestens 10 Minuten, wir haben gerade eine Großbestellung.“


Ok, nicht aufregen. Ein Mann kam vorbei und wollte auch bestellen, durfte er nicht. Der Mann: „Flaschenbier geht auch nicht? Sie müssen es nur kurz öffnen.“


„Nein.“


Ist schon echt hart. Wir haben unser gezapftes, warmes, kohlesäurearmes Bier bekommen, nach 15 Minuten. Na ja, man nimmt, was man kriegen kann… Wie auch immer, so schrecklich auch die Hinfahrt war, die Rückfahrt war pünktlich „Dim, dim, dim, dim verehrte Fahrgäste, wir sind heute sogar auf die Minute genau in Braunschweig.“ Das ist so selten der Fall, dass es sogar den Bahnmitarbeiter wundert und er sich dachte, das müsste er mal erwähnen. Das war meine aktuellste Story.


Die Fahrtdauer kann ich aber noch toppen. Rückfahrt von Stuttgart nach Salzgitter bei 40 Grad Außentemperatur. Insgesamt 10 Stunden mit diversen Umstiegen, die natürlich eigentlich nicht geplant waren. Das ganze läuft dann in der Regel so, dass Sandra durchgängig am Handy nach möglichen Alternativverbindungen guckt, um irgendwie nach Hause zu kommen. Nach Hause bei 40 Grad mit Kater. Ja, eignes Verschulden – ich weiß, aber hey, man verlässt sich irgendwie auf die Bahn (warum auch immer). Alle Anschlusszüge sind ausgefallen. ALLE! Die Leute saßen wie in einer Sardinenbox in diesem Zug, die Klimaanlage kam kaum hinterher und schräg gegenüber saß ein etwa achtjähriger, echt süßer Junge.


„Mir ist schlecht.“ sagte er zu dem Paar gegenüber von ihm. Also machten die Menschen das Fenster auf. In dem Augenblick hielt er sich schon seine Hand vor den Mund und kotzte dann in seine Brötchentüte. Er tat mir unglaublich leid. Wir haben ihm dann noch eine Plastiktüte gegeben, weil wie ihr euch denken könnt, eine Papiertüte nicht ganz so lange dicht hält. Das Ganze bei 40 Grad. Stellt es euch vor. Dieser Geruch, der Kater, die Temperatur. Ich bin bis heute dankbar, dass mein Körper scheinbar sehr robust ist und ich mich dem Jungen nicht angeschlossen habe.

Der arme Junge hat dann noch ganz tapfer mit seinen Eltern telefoniert und ihnen von dem Vorfall erzählt. Wir alle haben uns um ihn gekümmert, aber für uns alle war es echt hart. An diesem Tag war ich einmal froh, dass ich an einem Bahnsteig unerwartet raus musste, weil es ertönte „dim, dim, dim, dim – verehrte Fahrgäste, leider ist dieser Bahnhof vorerst die Endstation. Aufgrund von technischen Störungen müssen wir auf unbestimmte Zeit halten.“


Ach ja, im Zug lernt man manchmal schon seltsame Menschen kennen. Eines Tages saßen wir, wieder voller Freude und Euphorie im Zug, in der Hoffnung einmal pünktlich in Köln anzukommen. Ich sag es euch gleich, wir wurden wieder enttäuscht.


„Dim, dim, dim, dim – verehrte Fahrgäste leider müssen wir auf unbestimmte Zeit hier stehen bleiben.“ Dabei waren wir gerade erst in Hannover! Noch nicht mal ansatzweise in Nordrhein-Westfalen!

Der Herr neben uns recht panisch zu uns: „Mist dann bekomm ich meinen Zug in Bielefeld nicht.“

Andere Menschen mischten sich ein: „Vielleicht gibt es dann einen Anschlusszug.“ Dann mischt sich der Herr von rechts ein: „Ich hab gerade gelesen dieser Zug hält nicht mehr in Bielefeld.“


Herr Bielefeld, sehr enttäuscht, packte seine Sachen und verließ den Zug. Wir hatten unsere Musikbox (wirklich sehr leise) an und es kam das Lied „Bella Ciao“. Herr „Kein-Zug-nach-Bielefeld“ von rechts mischt sich erneut ein. „Wisst ihr eigentlich, worum es in diesem Lied ursprünglich geht? Das ist ein Kriegslied aus Italien. Es ist schon sonderbar, dass daraus ein Partylied gemacht wird.“

In unserem Kopf ertönte: „Düdüm.“


Ja, den Hintergrund kannte ich auch. Aber ganz ehrlich, muss man den Menschen den Spaß nehmen? Muss man sich überall einmischen? Es ist jetzt nun mal ein Lied, was gespielt wird auf Partys und verdammt, man muss doch nicht alles auseinandernehmen. Reicht doch, dass die Medien es tun.. man muss doch nicht alles auf die Goldwaage legen (finde ich). Meiner Meinung nach sollten die Menschen sich nicht über alles aufregen und sich in alles reinsteigern. Soll er sich doch freuen, dass er überhaupt Musik hört.


Aber ok. Noch besser fand ich, als die Durchsage kam: „Dim, dim, dim, dim, verehrte Fahrgäste, es geht weiter. Alle die nach Bielefeld möchten, können dort ihren Anschlusszug erreichen.“

Wieso erzählte Herr „Kein-Zug-nach-Bielefeld“ oder auch Herr „Bella Ciao“ genannt, Herrn Bielefeld, dass dieser Zug dort nicht hält?! War das böswillig oder einfach nur dumm? Manche Dinge werde ich wohl nie verstehen…


Guter Punkt – werde ich nie verstehen – Sandra und ich saßen, an einem anderen Tag, erneut im Zug Richtung Köln mit zu wenig Bier. Ja ich weiß, ich als alte Disponentin sollte das eigentlich einschätzen können, aber hey – Verbräuche schwanken. Ich wollte das Thema Bordbistro noch mal aufgreifen.

Es ertönt mal eine super Ansage: „Dim, dim, dim, dim – verehrte Fahrgäste, das Bordbistro hat für Sie geöffnet. Wir laden Sie herzlich ein.“


Das ist ja mal super, dachten wir uns. Ich stand also 20 Minuten später auf und machte mich auf den Weg. Kam, nachdem ich durch gefühlt 100 Wagen durch gelaufen bin, an und was ist? Nichts – Bordbistro zu.


Düdüm.


Das war echt uncool, als es aber mal klappte (ja wieder eine neue Fahrt) mit dem Bordbistro, bekam ich einen fast vollen Kaffeebecher mit Bier (mehr Schaum als Bier, weil die Zapfanlage leer war) und ein Flaschenbier. Ok besser das als gar nichts aber das mit der Gastro könnte die Deutsche Bahn noch mal üben..


Was ist mein Fazit? Gute Frage. Ich bin abhängig von der Bahn und mir graut es schon vor der nächsten Fahrt, aber das Prinzip Bahn ist eigentlich ein richtig gutes Modell. Vielleicht ist es auch mein Karma, was diese Verspätungen bewirkt. Ich weiß es nicht.. aber ich werde nicht aufgeben, es zu versuchen, einmal pünktlich in Köln anzukommen… ich hätte aber auch noch einen Tipp für die Bahn! Ich habe letztens einen Artikel über die Pünktlichkeit der Bahn in Japan gelesen – Japaner setzen die Pünktlichkeit ihrer Bahn voraus! Die Bahn musste sich dort entschuldigen weil sie 20 Sekunden zu früh los fuhr! Vielleicht sollte die Deutsche Bahn sich dort mal Tipps holen ;) Ich möchte hier aber auch nicht als Vermittler fungieren.


Was ich aber immer wieder mitnehme aus solchen Situationen:


Mit einem Lächeln verkraftet man solche Situationen immer gleich viel besser.


Mit einem guten Freund(in) an deiner Seite ist einfach alles leichter.


In diesem Sinne „Thank you for travelling with Deutsche Bahn!“


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